Nicht nur in Deutschland ist der Drache seit vielen Jahrhunderten eines der spannendsten Fabeltiere, auch andere Kulturkreise berichten von dem sagenumwobenen Wesen. Doch das in der folgenden Sage beschriebene Untier hat wohl mit der allgemeinen Vorstellung eines Drachens nicht viel gemeinsam. Bösartig, heimtückisch und versteckt trieb es wohl vor einigen Jahrhunderten noch sein Unwesen unter den arglosen Bürgern der Eifel. Die Sage ist eine von vielen, welche in der dort ansässigen Bevölkerung in Mundart überliefert und durch Johann Hubert Schmitz gesammelt und veröffentlicht wurde.
Carolin Eberhardt
Von vielen Ungeheuern wussten die Ältesten der Dörfer in der Eifel zu berichten. Doch keines war darunter so schrecklich und angsterfüllend wie der Drache. Dieses Untier, ein Mischwesen aus Hund und Fisch, mit glühenden Augen und furchtbarem Rachen, verschlinge Menschen und zerreiße Tiere. Die Vorfahren nannten auch Stellen, unheimliche Höhlen und tiefe Gründe, wo Drachen gelebt hätten. Auch heute noch, so erzählten sie, seien die Untiere noch dort zu finden, würden aber nur zu bestimmen Zeiten zum Vorschein kommen. Eine der Ältesten erzählte: „ Mein Vater hat einmal einen gesehen, welcher Feuer gespukt und seine Zunge war wie ein glühendes Eisen.“ Mit dem allgemein bekannten Fabeltier des Drachen sollte der „Draach“ nicht verwechselt werden. Letzterer, so erzählt man, komme bei Nacht, gehüllt in einer Rinderhaut, lege sich mit seinem ganzen Gewicht auf Schlafende, die sich dann nicht mehr bewegen könnten und von dem Drachen mehr und mehr gedrückt würden, so dass ihnen der Schweiß vom ganzen Körper rinne. Die so Gedrückten und Geängstigten werden dann wach und hörten nur noch wie der Drache fortschleife. Erzählt wurde weiterhin, der „Draach“ könne sich nur durch das Schlüsselloch Zugang zu den Häusern verschaffen, weswegen dieses zur Sicherheit zugestopft werden müsse. Auch könne das Ungetier durch ein besonderes Zeichen, zwei übereinander gelegte Dreiecke, vom Eintritt abgehalten werden. Zu töten wäre das Monster allerdings nur, wenn ein im Bett Liegender sich einen zinnernen Teller auf die Brust legen und darüber ein spitzes Messer halten würde. Dann stürze sich der Draach in dieses hinein und würde seinen Tod finden.
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Textquelle:
Schmitz, Johann Hubert (Hrsg.): Sitten und Sagen, Lieder, Sprüchwörter und Räthsel des Eifler, nebst einem Idiotikon, Trier: Druck und Verlag der Fr. Linz'schen Buchhandlung,1856.
Bildquellen:
Vorschaubild: Der Drache Ouroboros in dem alchemistischen Werk De Lapide Philosophico (herausgegeben von Lucas Jennis, 1625 via Wikimedia Commons Gemeinfrei.
Drache, 2017, Urheber: OpenClipart-Vectors via Pixabay CCO.