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Heft 2

B-Z! Das ist nett! (Teil 1)

In diesem Arbeitsheft werden alle Konsonanten eingeführt, die sich beim Sprechen gut dehnen lassen. Dazu kommen noch einige Vokale (Zwie- und Umlaute).

Die Pfälzer Amish – eine Zeitreise

Die Pfälzer Amish – eine Zeitreise

Herbert Kihm

Sicherlich wird sich bei vielen Leserinnen und Lesern bei dieser Überschrift zuerst einmal ein großes Fragezeichen auftun.

Werfen wir also einen Blick zurück auf jene Pfälzer, die im 18. Jahrhundert aus Glaubensgründen nach Nordamerika auswanderten, ihre Traditionen dabei mitnahmen und bis heute bewahrten.

Ich hatte vor Jahren das Glück bei dem Besuch von Freunden im Lancaster County, Pennsylvania, von einer Amischen Familie in ihre Siedlung „Bird -in-Hand“ eingeladen zu werden. Sie gehörte zu den „Amische alter Ordnung“, die bis heute eine Art Pfälzer Dialekt sprechen und wo sie nach den Regeln des Neuen Testaments leben: mit strengen Kleidervorschriften und genau geregelter Sozialordnung.

Ihr Glauben verbietet vielen Amischen den Besitz von Fahrrädern und Autos, Pferde -oder Maultierkutschen (Buggys) mit altertümlich gekleideten Passagieren gehören in Lancaster County daher zum Straßenbild.

Kleidung und Haartracht der Amischen bringen den amischen Glauben, vor allem die Demut, zum Ausdruck und sind zumeist einfach. Die Kleidung soll weder durch Schnitt noch Farbe die Aufmerksamkeit auf den Träger ziehen. So sind Knöpfe an Mänteln nicht gestattet, nur Kleidernadeln oder Haken mit Ösen.

Die typische Kopfbedeckung der männlichen Amischen sind steife, breitkrempige Filzhüte. Die Breite der Krempe und die Form der Hutspitze variieren von Gruppe zu Gruppe. Im Sommer tragen die meisten Männer Strohhüte. Frauen tragen Häubchen, deren Größe und Art durch Ordnung der jeweiligen Gruppe bestimmt wird. Eine amische Frau verlässt das Haus nicht ohne Kopfbedeckung. In vielen Siedlungsgebieten werden weiße Häubchen getragen. Ledige Frauen bis zu ca. 40 Jahren tragen sonntags schwarze Häubchen.

Von verheirateten Männern wird das Tragen eines Bartes verlangt. Das Haar von Mädchen und Frauen wird niemals abgeschnitten; sie tragen die Haare aufgesteckt oder im Haarknoten unter einer Kopfbedeckung, die als Prayer cap bekannt ist.

Im Haus von Mary King, unserer Gastgeberin gab es natürlich auch kein elektrisches Licht, an der Küchenspüle war z.B. eine gusseiserene Pumpe mit Handschwengel montiert.

Der Besuch aus Deutschland, dem Land ihrer Ahnen, hatte sich sehr rasch in dem Dorf rundgesprochen und bald füllte sich das Wohnzimmer mit Erwachsen und Kindern, von denen viele mit großen Augen wohl zum ersten Mal diese „Fremden“ in ihrem Leben sahen.

Im Gespräch, das zuerst in Englisch erfolgte, stellte sich heraus, dass die Vorfahren der Familie King aus Zweibrücken stammten, einer Stadt in Rheinland-Pfalz, die gerade mal rund zehn Kilometer von meiner Geburtsstadt Blieskastel entfernt ist.

Und dann, gab es die große Überraschung:

Ich sprach - in einer plötzlichen Eingebung - die Gastgeber mit meinem „saarländischen Dialekt“ an und hatte plötzlich das Gefühl „dehemm se sinn“ - die Erwachsenen und vor allem die Kinder tauten förmlich auf und es entwickelte sich ein intensiver Gedankenaustausch in meinem Heimatdialekt einerseits und dem „Amisch Deutsch“, der ersten Sprache der dort lebenden andererseits.

Nachdem man mir dann ein Gebetbuch brachte und ich (fast) fehlerfrei daraus vorlesen konnte, stand ich im Mittelpunkt einer faszinierten Dorfgemeinschaft, wobei mir anschließend die Ehre zuteilwurde, mit einem Buggy auf eine Rundfahrt durch das County mitgenommen zu werden.

Kommen wir zurück auf das Gebetbuch und damit auf das „Amish Deutsch“, das auch Pennsylvania German, Pennsylvaniadeutsch, Pensilfaanisch, Pennsilfaanisch Deitsch, Pennsilfaani oder Pennsilveni-Deitsch bezeichnet wird.

Pennsylvania Dutch ähnelt in seiner Grundstruktur sehr stark dem Vorderpfälzischen, dem angrenzenden Saarländischen und Kurpfälzischen zwischen Mannheim, Speyer und Neustadt an der Weinstraße, ist aber logischerweise auf dem Sprachgebrauch der damaligen Auswanderer stehen geblieben.

Hier zum Abschluss unserer Zeitreise daher eine Textprobe aus dem Gebetbuch der Amischen, dem Gebetbuch „Ernsthafte Christenpflicht“ aus dem Jahr 1708:

Unser Vadder im Himmel,

Dei Naame loss heilich sei,

Dei Reich loss komme,

Dei Wille loss gedu sei,

uff die Erd wie im Himmel.

Unser deeglich Brot gebb uns heit,

Un vergebb unser Schulde,

wie mir die vergewwe wu uns schuldich sinn.

Un fiehr uns net in die Versuchung,

awwer hald uns vum ewile.

Fer Dei is es Reich, die Graft,

un die Hallichkeit in Ewichkeit.

Amen.

*****

Bildquellen:

Vorschaubild: Keystone Marker for Bird-in-Hand, Pennsylavania, 2011, Urheber: Doug Kerr via Wikipedia Commons CC-BY-SA 2.0.

Amish Family riding in a traditional Amish Buggy in Lancaster County, Pennsylvanis. USA, 2004, Urheber: TheCadExpert via Wikipedia Commons CC-BY-SA 3.0.

Amish Gruppe, 2014, Urheber: emailamyd via pixabay CCO.

Weavertown one Room School, Bird-in-Hand, Pennsylvania, 2008, Urheber: Ken Lund via Wikipedia Commons CC-BY-SA 2.0 CC-BY-SA 2.0.

Amish Buggy on US Road 30 in Lancaster County, pennsylavania,Note taht the reflectors and orange triangle are concessions to Pennsylvania traffic laws, 2009, Urheber: Ad Meskens via Wikipedia Commons CC-BY-SA 3.0.

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