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Gerhard Klein

Mecklenburg-Vorpommern-Skizzen

Die wundervollen detailreichen Skizzen Gerhard Kleins werden durch informative Kurztexte ergänzt. Bedeutende Sehenswürdigkeiten von Mecklenburg-Vorpommern sind in diesem Heft in liebevollen Bildern gesammelt. 

Die Bärmesenser Schlabbeflicker

Die Bärmesenser Schlabbeflicker

Herbert Kihm

Dieser Begriff ist mir aus familiären Gründen sehr geläufig, was sicherlich nicht für die meisten Leserinnen und Leser zutreffen wird. Nähern wir uns also dem Begriff Schritt für Schritt:

„Bärmesens“ ist die mundartliche Bezeichnung für die Stadt Pirmasens, die Sitz der Kreisverwaltung des Landkreises Südwestpfalz ist. Diese Verwaltungseinheit grenzt bekanntlich an das Saarland und an Frankreich. Pirmasens hat eine ebenso glorreiche Vergangenheit wie prekäre Gegenwart und Zukunft.

Pirmasens hatte seine besten Zeiten als Garnisonstadt im 18. Jahrhundert und später im 19./20. Jahrhundert als Metropole der deutschen Schuhindustrie.

Landgraf Ludwig IX. von Hessen-Darmstadt verlege seine Residenz nach Pirmasens und verlieh der Siedlung 1763 die Stadtrechte. Hier übte die Hessen-darmstädtische Armee in der nach Sankt Petersburg größten Exerzierhalle Europas., der Exerzierplatz in der Stadt ist heute noch prägend.

Allerdings endete mit dem Tod des Landgrafen 1790 die kurze Blütezeit der Stadt. Hier nun finden wir auch die Entstehung des Begriffs, zitiert aus Wikipedia (pfl.m.wikipedia.org):

“ Des is nämlich im Johr 170 nochm Dod vum Londgraf Ludwisch IX. entstonn, als die Bärmesensa Garnison ufgeleest worr is. Aus de Nod raus hon die ehmalische Grenadier aus Uniformreschde sogenonnte Schlabbe gemach. Denne ihr Fraue sin in die gonz Welt gong um die Schlabbe donne se vekaafe.“

Hier sind dann auch die Ursprünge der späteren Schuhindustrie zu finden.

Aus den kleinen Familienbetrieben entwickelten sich im Zusammenhang mit der Industrialisierung des 19. Jahrhunderts Großbetriebe. Im Jahre 1914 gab es so in Pirmasens 240 Betriebe mit 14.000 Beschäftigten. Im 2. Weltkrieg wurde zwar die Innenstadt bei zwei Luftangriffen fast völlig zerstört, die Fabriken wurden jedoch in der folgenden Wiederaufbauphase rasch wieder aufgebaut, so dass 1970 rund 22.000 Menschen in der Schuhindustrie Arbeit fanden. Die Eduard Rheinberger AG war mit über 2500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zeitweise die größte Schuhfabrik Deutschlands.

Diese Monostruktur hatte jedoch durch die einsetzende Globalisierung fatale Auswirkungen. Was Detroit für die Automobil-, das wurde Pirmasens für die Schuhindustrie. Die Fabrikation verlagerte sich zunächst nach Ost- und Südeuropa, dann nach Asien. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts überlebten noch etwa 30 Betriebe.

Im Zukunftsatlas 2016 belegte der Landkreis Südwestpfalz Platz 314 von 402 Landkreisen, mit 15.349 Euro hatte der Landkreis das niedrigste Bruttoinlandsprodukt/Kopf unter allen Städten und Kreisen in Deutschland. Durch zahlreiche Konversionsprojekte und Stabilisierung der lokalen Unternehmen hat sich die Arbeitsplatzsituation deutlich verbessert.

Obwohl niemand aus Pirmasens heute mehr mit „Schlappe“ unterwegs ist, hat der Begriff die Jahrhunderte überlebt.

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Fotos:.

  1. Ehemalige Schuhfabrik Emil Paqué, später Emil Neuffer in Pirmasens, Neufferstr.57. Mehrflügelige Anlage aus dreigeschossigen Bauten um zwei Höfe, wohl am Ende des 19.Jahrhunderts, Erweiterung um 1920/30, Reformarchitektur, Gerd Eichmann, CC-BY-SA 3.0, via wikipedia commons.
  2. Schlappe: Herbert Kihm

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