Von den Trierern heißt es, sie könnten in ihrem Zorn schon mal fünf Zentner wiegen. Mag sein. Ich glaube, sie sind auch tolerant und heiteren Gemüts, auf alle Fälle souverän. Beispiel gefällig?
Als der Aktionskünstler Ottmar Hörl 2010 sich nach Adolf Hitler den großen Reformator Martin Luther vornahm und ihn als bunten Plastikzwerg den Wittenbergern in 800-facher Ausfertigung auf den Markt stellte, erhob sich ein Proteststurm. Deutschlandweit, ja fast global. 2013 wiederholte der Polithandwerker Hörl sein „Kunststück“ in Trier. Doch diesmal regte sich kaum ein Lüftchen. An der Porta Nigra standen 500 Zwerge, gedrungen und – allesamt mit dem Gesicht von Karl Marx. Nicht nur der bekannte Rauschebart leuchtete in vier Varianten rot, nein das gesamte nur einen Meter hohe Männchen schaute aus, wie frisch mit Nagellack bemalt. Die Trierer lächelten nur verhalten über den eigenartigen Umgang mit dem großen Sohn ihrer Stadt. Sollte diese Installation zum Nachdenken anregen über den Marxismus und auf die vielfältigen Möglichkeiten hinweisen, ihn auszulegen? Oder was? Sie bummelten die Einkaufsmeile hoch und taten, was sie dort am liebsten tun: shoppen. In Wittenberg verkaufte Hörl fast alle seine Lutherzwerge. In Trier wurden ihm zahlreiche geklaut, aber er nahm auch etwas ein. Das Karl-Marx-Haus erwarb ein Marxmännchen und stellte es sich in den Garten. Da steht der Geistesriese, kleingerechnet, in der Gartenfront, und die verwunderten Blicke der Besucher prallen von ihm ab.
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Texte und Bilder entnommen aus:
Pantenius, Michael; Voigtländer, Rudolf: Trier, die 99 besonderen Seiten der Stadt, Halle: Mitteldeutscher Verlag, 2016..