Viele Schreckgespenster und Spukgestalten nennen laut alter Volksüberlieferung die Eifel ihr Zuhause. Darunter waren nicht nur Zwerge, Kobolde, Drachen und andere merkwürdige Figuren, sondern zuweilen auch einige Damen, wenn man diese denn als solche bezeichnen möchte. Das Schnellersrather Gretchen zum Beispiel steckte ihr Gebiet im Kirchweiler Wald ganz genau ab und jeder unwillkommene Gast und Durchreisende wurde erschreckt, geneckt und verärgert. Doch besonders über die Wut der Geneckten freute sich Gretchen besonders. Sogar die Bergleute, welche damals in den dort gelegenen Mühlsteinbrüchen arbeiteten, blieben oft nicht von ihr verschont.
Carolin Eberhardt
So geschah es einmal, dass ein Herr namens Johann Krämer mit einem Sack auf der Schulter während der Zeit des Sonnenuntergangs von Kirchweiler an Schnellerrath vorüber kam. Als er sich nun der der dort befindlichen Steinbrücke näherte, sah er, wie aus dem Walde eine stattliche, jedoch altmodisch mit einem Reifrock gekleidete Dame auf ihn zu schwebte. Kaum hatte Johann die Gestalt betrachtet, welche er sofort als Gretchen erkannt hatte, stieß diese ihm Hut und Sack zu Boden. Johann stieß daraufhin wütend einen Fluch aus und sprach: „Nun kannst du mir auch lüften.“ Während er Hut und Sack wieder vom Boden aufnahm, erhob sich Gretchen bereits unter verhöhnendem Gelächter und Händeklatschen in die Luft und verschwand im Gebirge.
Auch die Mühlsteinbrüche waren innerhalb Gretchens Schutzgebiet, so dass auch einige Bergleute ihrem Spott, Hohn und Schalk zuweilen ausgesetzt waren. Die Bergleute Andreas Oehmen von Hinterweiler, Peter Surges und andere berichten über diese Erlebnisse wie folgt: „Wenn wir eben ein Geschirr gebraucht und es aus der Hand gelegt hatten, und dasselbe wieder aufnehmen wollten, so war es nicht mehr vorfindlich. Stieß nun der Suchende einen Fluch aus, dann schlug ein schallendes Gelächter auf und ein Händeklatschen erscholl (von Seite des Gretchens) und das Geschirr lag in dem selben Augenblicke wieder vor uns, wenn gleich mitunter etwas entfernter als es gelegen hatte. Fuhren wir mit den Berghämmern in die Höhe und holten zu einem tüchtigen Haue aus, so geschah es nicht selten, dass der Hammer in der Höhe festgehalten wurde, als ob ein Baumast ihn behinderte. Diese Neckerei währte meist einige Zeit fort, und nur der Ausbruch eines heftigen Unwillens machte derselben für den laufenden Tag ein Ende.“
nacherzählt von Carolin Eberhardt
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Textquelle:
Schmitz, Johann Hubert (Hrsg.): Sitten und Sagen, Lieder, Sprüchwörter und Räthsel des Eifler, nebst einem Idiotikon, Trier: Druck und Verlag der Fr. Linz'schen Buchhandlung,1856.
Bildquellen:
Vorschaubild: »Daun«, signiert und datiert »Fritz von Wille 1912 via Wikimedia Commons Gemeinfrei.
Mayener Grubenfeld, 2014, Urheber: Tetris L via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0.