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Der Bronstein-Defekt

und andere Geschichten

Christoph Werner

"Ich stellte bald an mir selbst die Verführung durch Zählen und Auswerten fest und empfand die Wonne, Gesetzmäßigkeiten bei gewissen Massenerscheinungen festzustellen. Nichts war vor mir sicher. Als erstes machte ich mich über die Friedhöfe her..."

Carl Ludwig Johann d’Ester

Carl Ludwig Johann d’Ester

Herbert Kihm

Ein deutscher Revolutionär

Bei meinen Aufenthalten in dem Städtchen Vallendar bei Koblenz wohnte ich dort in der D’ Ester-Straße. Der doch recht ungewöhnlichen Namen ließ mich auf die Suche nach dessen Herkunft gehen.

Es zeigte sich bei der Recherche, dass die Familie d’Ester eine alteingesessene Familie in dem Ort ist, wobei zwei Personen auch eine gewisse historische Bedeutung zukommt.

Ob nun Karl d’Ester, ein Zeitungswissenschaftler und Gründer des Instituts für Zeitungsforschung in Dortmund oder Carl Ludwig Johann d’Ester Namensgeber für diese Straße waren, muss ich offenlassen – werfen wir also einen Blick auf den Arzt und Revolutionär, der in der Frühgeschichte der deutschen Arbeiterbewegung, im Vormärz und der der Revolution 1848/49 eine bedeutsame Rolle gespielt hat.

Er war Sohn des Lederfabrikanten Theodor d’Ester und dessen Frau Therese (geb. Pidoll) und wurde in Vallendar am 4.11.1813 geboren. D’Ester begann 1831 ein Studium der Medizin in Bonn und später in Heidelberg.

Durch seine Tätigkeit als Armenarzt in Köln kam er sehr früh mit den Sorgen und Problemen der Arbeiterschaft in Kontakt, was sein politische Engagement nachdrücklich beeinflusste.

1842 beteiligte sich d’Ester als Aktionär an der Gründung der Rheinischen Zeitung, die in der Folgezeit (31.März 1843) verboten wurde. Im gleichen Jahr beteiligte sich d’Ester an dem so genannten „Montagskränzchen“ von Kölner politischen Oppositionellen. Zu den Teilnehmern gehörte unter anderem Karl Marx. Darüber hinaus war er Mitglied im Bund der Kommunisten, aber auch im Kölner Dombauverein.

Neben sozialen Forderungen sprach er sich als Mitglied in der Stadtverordnetenversammlung in Köln für das allgemeine Wahlrecht und die vollständige Gleichberechtigung der Juden aus.

Mit der Trennung der vormärzlichen Opposition in Liberale und Demokraten gehörte d’Ester zu den Demokraten und bekannte sich zum Prinzip der Volkssouveränität und zur Republik.

D‘Ester als Revolutionär 1848/49:

1848 wurde er Mitglied der preußischen Nationalversammlung, wo er der linken Fraktion angehörte. Dort war er insbesondere an der Ausarbeitung einer neuen Gemeinde-, Kreis- und Bezirksordnung beteiligt. Scharfe Kritik übte er an der im Spätsommer 1848 allmählich einsetzenden Gegenrevolution in Preußen. So forderte er die Aufhebung des im September 1848 verhängten Belagerungszustandes über Köln und die Anklage gegen die zuständigen Generäle. Aus Sorge vor politischer Verfolgung floh er nach der Aufhebung der preußischen Nationalversammlung zunächst nach Leipzig, wo er unter anderem mit Michail Bakunin zusammentraf. (Michail Alexandrowitsch Bakunin war ein russischer Revolutionär und Anarchist).

Als Abgeordneter der zweiten Kammer des preußischen Landtages kehrte er Anfang 1849 nach Berlin zurück. Im Parlament polemisierte er scharf gegen die Einschränkungen der Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit und verband dies mit harscher Kritik am politischen System.

Nach der Auflösung der Kammer wurde ein Haftbefehl über d’Ester verhängt und in Abwesenheit wurde er zum Tode verurteilt, dem er sich durch Flucht in die Pfalz entzog.

Dort beteiligte er sich am Pfälzischen Aufstand und arbeitete in der provisorischen Regierung mit. Ziel der Revolutionäre waren die Verteidigung der Frankfurter Reichsverfassung und die Loslösung vom Königreich Bayern. Der Aufstand dauerte vom 2. Mai bis 19. Juni 1849.

Friedrich Engels äußerte sich in seinem Bericht über die Vorgänge in der Pfalz auch über d’Esters Wirken:

„Hinter der provisorischen Regierung stand d’Ester als eine Art geheimer Generalsekretär oder, wie Herr Brentano es nannte, als „rote Kamarilla, welche die gemäßigte Regierung von Kaiserslautern umgab“. Zu dieser „roten Kamarilla“ gehörten noch andre deutsche Demokraten, namentlich Dresdner Flüchtlinge. In d’Ester fanden die Pfälzer Regenten jenen administrativen Überblick, der ihnen abging, und zugleich einen revolutionären Verstand, der ihnen dadurch imponierte, daß er sich stets nur auf das Zunächstliegende, unleugbar Mögliche beschränkte und daher nie um Detailmaßregeln verlegen war. D’Ester erlangte hierdurch einen bedeutenden Einfluß und das unbedingte Vertrauen der Regierung. Wenn auch er zuweilen die Bewegung zu ernsthaft nahm und z.B. durch Einführung seiner für den Moment unpassenden Gemeindeordnung etwas Wichtiges leisten zu können glaubte, so ist doch gewiß, daß d’Ester die provisorische Regierung zu allen einigermaßen energischen Schritten forttrieb und namentlich in Detailkonflikten stets passende Lösungen zur Hand hatte.“ (Friedrich Engels: Die deutsche Reichsverfassungskampagne. In: Karl, Marx: Werke. Band 7. Berlin (DDR) 1960, S. 149 f., via Wikipedia Commons)

Nach der Zerschlagung der provisorischen Regierung der Pfalz floh d’Ester in die Schweiz. In Châtel-Saint-Denis arbeitete er bis zu seinem Tod (18.Juni 1859) als Arzt.

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Bildquellen:

Vorschaubild: Carl d'Ester, 1848/49, Urheber: unbekannt via Wikimedia Commons Gemeinfrei.

D'Estersstraße 11, 2017, Urheber: Asperatus via Wikimedia Commons CC BY-SA 4.0.

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